Korruption im internationalen Kontext: Die unterschätzte Gefahr
Schweizerische Unternehmen, welche international tätig sind und dabei geschäftliche Beziehungen in die USA sowie nach UK unterhalten, unterstehen aufgrund der verschärften internationalen Korruptionsbekämpfung auch ausländischen Anti-Korruptionsgesetzen. Diese entfalten extra-territoriale Wirkung über die Schweizer Staatsgrenzen hinweg, mit horrenden Strafdrohungen.
Der US-amerikanische Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) sowie der UK Bribery Act erlauben es US-amerikanischen resp. britischen Behörden, ausländische Gesellschaften für Verstösse im Korruptionsbereich zur Rechenschaft zu ziehen. Prominente Beispiele gibt es betreffend den FCPA einige: So hatte die deutsche Siemens AG im Jahre 2008 allein für Verstösse gegen den FCPA eine Rekordbusse über EUR 800 Mio. an das US Department of Justice (DoJ) zu entrichten, die Folgekosten für die interne Aufarbeitung des Sachverhaltes wurden von der Siemens AG gar mit EUR 1 Mrd. beziffert. In der Schweiz beendete der Logistik-Konzern Panalpina die vom DoJ sowie der US-Börsenaufsicht (SEC) geführten Verfahren betreffend Verstösse gegen den FCPA im Jahre 2010 mit Zahlung einer Geldstrafe von USD 81.9 Mio. Zeitgleich beendete ABB mit einer Busse über USD 58.3 Mio. entsprechende Ermittlungen der US-Behörden.
Diese potenzielle Bedrohung wird in ihrer Breitenwirkung von vielen international tätigen Unternehmen in der Schweiz noch immer zu wenig erkannt. Doch die Ausgestaltung des persönlichen Anwendungsbereiches des FCPA lässt mannigfaltig Raum, um die Ermittlungen auch auf Schweizer Unternehmen auszudehnen. So findet die US-amerikanische Gerichtsbarkeit Anwendung, wenn sich die Gesellschaft für die monierten Handlungen des sog. „interstate commerce“ bedient. Die Auslegung hierzu geht sehr weit und umfasst – nebst den primären Anknüpfungspunkten wie US-Kotierung oder das Führen von Niederlassungen in den USA – beispielsweise bereits schon die Inanspruchnahme des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs, die Reisetätigkeit in die USA und innerhalb der USA sowie die Kommunikation per E-Mail oder Telefon. In der Konsequenz bedeutet dies, dass der FCPA fast uneingeschränkte Wirkung gegen natürliche oder juristische Personen entfaltet, welche mit den USA Geschäftsbeziehungen unterhalten. Desse Durchsetzung obliegt dabei dem DoJ und der SEC, je nachdem ob Verstösse von nicht kotierten Unternehmungen und Privatpersonen oder von „issuern“ zur Debatte stehen. Und die Strafen können – wie dargestellt –drakonische Ausmasse erreichen.
Das potenzielle Gefahrenrisiko des FCPA als bedeutendes, grenzüberschreitendes Anti-Korruptionsgesetz ist somit nicht zu unterschätzen. Zwar werden die meisten Verfahren des DoJ sowie der SEC noch immer mittels „Settlement Agreements“ aussergerichtlich erledigt. Doch es ist eine Forcierungstendenz seitens des DoJ gegenüber dem Ausland festzustellen; eine Beobachtung, die sich mit aktuellen Entwicklungen (FATCA) deckt.
Per 01.07.11 ist mit dem UK Bribary Act das weltweit schärfste Anti-Korruptionsgesetz in Kraft getreten. Die Anknüpfungspunkte für die weltweite Anwendung dieses Gesetzes sind ebenfalls weit auszulegen. So muss die Korruptionshandlung nicht zwingend im Vereinigten Königreich erfolgen. Es genügt vielmehr, dass das Grundgeschäft oder Teile davon auf dem Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs erfolgen. Hierfür fallen Zweigstellen, Filialen oder auch nur ein einzelnes Büro in Betracht. Aufgrund des Umstandes, dass dieses Gesetz relativ neu ist und damit eine eigentliche Rechtspraxis noch fehlt, lassen sich im Moment keine Schlüsse in Bezug auf die Durchsetzung durch die britischen und allenfalls auch die schweizerischen Behörden ziehen. Der möglichen Strafdrohung von unlimitierten (!) Bussen für juristische Personen sowie Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren für Privatpersonen sollte im Geschäftsverkehr mit UK fortan besondere Beachtung geschenkt werden.
Ein Blick in die Schweiz zeigt, dass das Korruptionsstrafrecht auch hierzulande zunehmend an Bedeutung gewinnt. Es sei in diesem Zusammenhang auf den bemerkenswerten Strafbefehl der Bundesanwaltschaft vom 22.11.11 verwiesen, in welchem die Alstom Network Schweiz AG wegen Widerhandlungen gegen Art. 322septies i.V.m. Art. 102 II StGB StGB zu einer Busse von CHF 2.5 Mio. sowie einer Ersatzforderung von CHF 36.4 Mio. verurteilt wurde. Hintergrund waren Bestechungszahlungen an fremde Amtsträger in Lettland, Tunesien und Malaysia sowie damit einhergehend ein Organisationsverschulden für die ungenügende Ausgestaltung der internen Compliance-Struktur.