Das revidierte Insider-Strafrecht: Abschied vom Papiertiger?
Das Insider-Strafrecht hat eine langen gesetzgeberischen Weg hinter sich und befindet sich seit dem 01.01.2016 neu im Finanzmarktinfrastruktur-Gesetz (FinfraG). Doch die gesetzgeberischen Gedankenfehler bleiben.
Ausgangslage
Wir erinnern uns: Auf Druck der amerikanischen Behörden, namentlich der US-Börsenaufsicht SEC, erfolgte per 01.07.1988 die Kodifizierung der ersten Insiderstrafnorm in der Schweiz, welche seit dessen auch den Übernamen „Lex Americana“ trägt. Das damals in Art. 161 StGB geregelte Verbot führte jedoch nur zu wenigen Verurteilungen wegen Insiderhandels, das Insider-Strafrecht war den hohen Erwartungen nie gerecht geworden. Die Gründe dafür lagen in einer zu engen Formulierung des Tatbestandes des damaligen Art. 161 StGB, was immer wieder zu gerichtlichen Freisprüchen führte.
Mit Reform per 01.05.2013 wurde das Insider-Strafrecht vom Strafgesetzbuch (StGB) ins Börsenstrafrecht (BEHG) überführt, unter Einführung einer zentraler Zuständigkeit einer einzigen Behörde (Bundesanwaltschaft) sowie Anpassungen in Bezug auf die Formulierung des objektiven Tatbestandes der Strafnorm. Per 01.01.2016 erfolgte schliesslich der Transfer des Insider-Verbotes in das neue geschaffene Finanzmarktinfrastruktur-Gesetz (FinfraG).
Neu wird in Art. 154 FinfraG zwischen Primärinsidern (Personen mit qualifizierter Nähe zum Unternehmen, wozu neu auch der Aktionär gehört), Sekundärinsidern (sog. Tippnehmer) und Zufallsinsidern (Personen, welche per Zufall von der vertraulichen Information Kenntnis erlangen) unterschieden. Bemerkenswert ist dabei die Einführung des sog. Zufallsinsiders: Wer also beispielsweise am Stammtisch oder via ein fehlgeleitetes E-Mail Kenntnis einer vertraulichen Information erlangt und aus diesem Wissen Kapital schlägt, fällt neu unter die Strafdrohung. Dagegen wird das vom eigenen Wertschriftenhandel betroffene Unternehmen nach wie vor nicht erfasst (dies gemäss dem Grundsatz „niemand kann sein eigener Insider sein “).
Neu genügt gemäss Art. 142 FinfraG das Vorliegen einer „Insiderinformation“ (dies entgegen der „vertraulichen Tatsache“ sowie „Voraussehbarkeit einer erheblichen Kursbeeinflussung“ unter altem StGB-Regime). Die zentrale Frage jedoch, wann eine Insiderinformation auch tatsächlich Insider-Charakter hat, wird die Praxis zu klären haben.
Eine wichtige Neuerung findet sich schliesslich darin, dass gemäss Art. 154 II FinfraG ein erheblicher Vermögensvorteil von mehr als CHF 1 Mio. als qualifizierter Tatbestand ausgestaltet wurde und damit – da nun ein Verbrechen – eine taugliche Vortat zur Geldwäscherei gemäss Art. 305bis StGB bildet.
Kritik
Die Revision des Insider-Strafrechts ist nicht restlos geglückt. Zum einen findet in Bezug auf die drei Täter-Kategorien nun eine Abstufung hinsichtlich des Strafmasses statt: So müssen Primärinsider mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe rechnen (im qualifizierten Fall sogar mit bis 5 Jahren Freiheitsstrafe), Sekundärinsider mit Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr und Zufallsinsider mit Busse. Diese Abstufung beim Strafmass entspricht jedoch nicht dem ursprünglichen Gedanken in Bezug auf das sog. geschützte Rechtsgut. Denn gemäss einschlägiger Lehre sowie bundesrätlicher Botschaft soll beim Insider-Strafrecht die Chancen-Gleichheit unter den Anlegern im Vordergrund stehen, die Verletzung der Treuepflicht zum Unternehmen dagegen keine Rolle spielen. Doch die unterschiedlichen Strafandrohungen unter den drei Täter-Kategorien sprechen Gegenteiliges; nämlich dahingehend, dass das Merkmal der Treuepflicht zum Unternehmen nun eben doch in den Vordergrund gestellt wird. Denn wie sonst ist die grundsätzlich höhere Strafdrohung für einen Primärinsider zu erklären, wenn der Zufallsinsider selbst bei erheblichem Gewinn „nur“ mit einer Busse zu rechnen hat?
Und in Bezug auf die mögliche Vortat zur Geldwäscherei scheint man vorschnell dem Ruf des Auslandes gefolgt zu sein: Um den Vorgaben der in Paris ansässigen FATF (Financial Action Task Force on Money Laundering) zu entsprechen sowie zwecks Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates vom 16.05.05 über Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung wurde der Vermögensgewinn von mehr als CHF 1 Mio. als mögliche Vortat zur Geldwäscherei ausgestaltet. Es stellt sich die Frage, ob diese Ausweitung dem Kerngedanken der Geldwäscherei-Bekämpfung noch gerecht wird, welche namentlich die Kontrolle der grossen internationalen Finanzströme aus Drogen- und Waffenhandel, Terrorismus und Rotlicht zum Inhalt hat.
Begrüssenswert ist hingegen die Konzentration bei einer zentralen Behörde, also weg von den bisher zuständigen kantonalen Staatsanwaltschaften zur neu einzig zuständigen Bundesanwaltschaft. Gebündeltes Know-how einer Behörde ist im Interesse aller Beteiligter, nicht zuletzt auch des Beschuldigten.